Der Trainingsraum: Ein pädagogisches Modell zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit

Das Ziel des Trainingraum-Prozesses

"Es ist nicht das Ziel des Prozesses, das Verhalten zu kontrollieren. Es ist auch nicht das Ziel, die Schüler zu verändern, noch eine brave Klasse zu haben, noch die Schüler in Reih und Glied zu bringen. Vielmehr ist es das Ziel, eine Atmosphäre des Respekts zu schaffen. Die Schaffung eines respektvollen Klimas in der Schule, an dem alle in der Schule tätigen Menschen teilhaben!"

Edward E. Ford, "Teaching Respect Using RTP"   (www.responsiblethinking.com)

Unsere Erfahrungen mit dem Trainingsraum-Modell

Seit einigen Schuljahren besteht an der Abteilung Realschule der GSS, der "Trainingsraum zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit von Schülerinnen und Schülern". Ziel ist es, die soziale Kompetenz der Schüler*innen zu stärken, sie darin zu unterstützen, sich rücksichtsvoll zu verhalten und die Rechte anderer zu respektieren. - Die Abteilung Hauptschule hat 3 Jahre später das Modell ebenfalls übernommen und auch im Gymnasium wird der Trainingsraum seit längerem genutzt.

Umfassende Befragungen in Schulen haben gezeigt, dass durchschnittlich etwa 50% einer normalen Unterrichtsstunde ungestört verlaufen, 30% werden leicht gestört durch Hintergrundgespräche und unterrichtsfremde Handlungen, etwa 20% einer Stunde vergehen mit ernsthaften Störungen und Gegenmaßnahmen.

Die 3 Regeln oder "die 3 Rechte"

  1. Jede Schülerin und jeder Schüler hat das Recht, ungestört zu lernen.
  2. Jede Lehrerin und jeder Lehrer hat das Recht, ungestört zu unterrichten.
  3. Jede/r muss stets die Rechte der Anderen respektieren.

Schüler*innen werden im Trainingsraum-Modell nach wiederholtem Stören ausdrücklich ermahnt und vor die Wahl gestellt, die Grund-Regeln einzuhalten oder den Trainings-Raum (TR) aufzusuchen. Dadurch kann die Zeit, die solche Störungen verursachen, aus dem Unterricht verlegt und der Unterricht für alle anderen interessierten Schüler effektiver werden.

Der TR ermöglicht den störenden Schüler*innen, in einer entspannten und vorwurfsfreien Atmosphäre ihr Tun und dessen Folgen für sich selber und andere zu reflektieren, Ideen zu entwickeln und in einem "Plan" konkrete und überprüfbare Vorschläge zu machen, wie sie künftig eine ähnliche Störung vermeiden wollen.

An der Realschule der GSS nutzten innerhalb eines Jahres etwa 1/3 aller Schüler*innen den Trainingsraum, davon etwa 2/3 Jungen und 1/3 Mädchen. Nahezu alle an der Realschule unterrichtenden Kollegen und Kolleginnen nützen diese Einrichtung in gleicher Weise und tragen so zur Ent-Emotionalisierung von Unterrichtskonflikten bei.

Ca. 75% der Schüler*innen, die im TR waren, besuchen den Trainingsraum nur 1-3 Mal, danach haben sie ihr Verhalten merklich verbessert. In der Regel erfolgt nach 4 Besuchen ein Elterngespräch mit Schüler*in und Klassenlehrer*in, um den Gründen des störenden Verhaltens auf den Grund zu gehen und zu weiteren Absprachen zu kommen.

Nur wenige Schüler*innen erscheinen öfter im Trainingsraum. Bei ihnen müssen in Absprache mit den Eltern, dem Schulsozialpädagog*innen, den Lehrkräften und ggf. weiteren Einrichtungen Maßnahmen geprüft werden, die den Schulerfolg sichern sollen.

Der Trainingsraum wird durch das Team der im Raum mitarbeitenden geschulten Lehrkräfte betreut und weiterentwickelt. Das Modell trägt zu einer besseren Transparenz und Versachlichung von Unterrichtsstörungen bei.

Hintergrundinformationen finden Sie unter www.trainingsraum.de und www.responsiblethinking.com.

Für das Team: Udo Fleige/Thomas Harnischfeger _____________________________________________________________________________

Aus "PSYCHOLOGIE HEUTE compact: Schule verändern!"

Heft 16/2007

»Die Regeln bieten Gerechtigkeit und Sicherheit ...

Die drei Regeln [...] gelten verlässlich, und alle können sich jederzeit auf sie berufen – eine tägliche Übung in praktischer Demokratie für die Kinder. Die Aufsicht darüber, dass alle die Regeln einhalten, führt der Lehrer. Er hat auch die Pflicht, bei Verstößen einzugreifen. Mit ihm - wie auch mit dem Schiedsrichter beim Fußball - darf nicht über Verwarnungen diskutiert werden. Der Unterrichtsfluss, an dem die Mehrheit interessiert ist, geht vor. Ob eine Entscheidung des Lehrers gerecht war oder nicht, kann später mit dem Trainingsraumlehrer besprochen werden. Dass Schüler und Lehrer die Methode schätzen, zeigen auch die Forschungsergebnisse von Hans-Jürgen Balz, Professor für soziale Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe. Er wertete die Meinungen von mehr als 2000 Schülern und über 500 Lehrern aus: Fast zwei Drittel der Schüler gaben an, dass sie „immer" oder „meistens" besser lernen können, nachdem ein störender Mitschüler in den Trainingsraum geschickt wurde. Von den Schülern, die sich selbst als „nicht störend" einschätzten, fanden 82 Prozent den Trainingsraum gut. Und immerhin über die Hälfte der „störenden" Schüler war derselben Meinung.«

Vergl. auch :Hans-Jürgen Balz (Hg.), Denken und Handeln, Beiträge zur Wissenschaft und Praxis. Eigenverantwortliches Handeln im Unterricht. […] Bochum 2006.