...über 25 Jahre SchulSozialPädagoge

Rainer Borst berichtet in diesem Artikel Grundsätzliches zu seiner Tätigkeit als SchulSozialPädagoge an der Geschwister-Scholl-Schule.

Die Anfänge

Im September 1981 habe ich in Tübingen als erster Sozialpädagoge an einer Tübinger Schule angefangen. Mittlerweile sind wir elf KollegInnen, die an zehn verschiedenen Tübinger Schulen als Schulsozialpädagogen Angebote machen!

In den ersten Jahren sammelte ich als frischgebackener Diplompädagoge erste gute Erfahrungen mit sozialpädagogischen Freizeitaktivitäten (Kajakbau, Volleyball-AG, Zeltfreizeiten), Angeboten für Klassen im Unterricht (Spielstunden oder Projekte zum Sozialen Lernen) oder der Einrichtung unseres Schülercafés und Bauaktionen in Zimmern. Im Lauf der Zeit kamen der Schultreff und Angebote zum Übergang Schule-Beruffür Hauptschüler und vor 17 Jahren das Mentoren-Projekt hinzu.

In den letzten zehn Jahren hat sich das Profil meiner Arbeit noch mal deutlich gewandelt: Beratung, Einzelfallhilfe und Unterstützung bei der Konfliktlösung haben an Bedeutung zugenommen - Freizeitangebote sind dagegen in den Hintergrund getreten ...

Selbstverständnis

Neben der Familie ist die Schule für mich die wesentliche Sozialisationsinstanz - In der Schule zeigen sich folgerichtig frühzeitig Defizite im Verhalten und Lernen von Jugendlichen. Sozialpädagogische Unterstützungs-Angebote in der Schule können und sollen dazu beitragen

  • ein Herausfallen aus der Bezugsgruppe zu verhindern (im Sinn Präventiver Jugendhilfe)
  • und Problem-Karrieren vermeiden helfen, durch Auf- und Ausbau hilfreicher Fähigkeiten

Als Schulsozialpädagoge verstehe ich mich als

  • Bindeglied zwischen Schule und Jugendhilfe im Sinn gelingender Kooperation
  • und als Mittler zwischen Elternhaus, Gemeinwesen und anderen Sozialen Diensten (wie Jugendhaus, Tagesgruppe, Arbeitsamt, Drogenberatung, Beratungsstellen, Therapeuten ...)

Ich begreife mich als gleichrangiger Kooperationspartner für Lehrerinnen und Lehrer, der eigene pädagogische und therapeutische Kompetenzen einbringen kann. Neben meiner Ausbildung zum Sozialpädagogen habe ich zusätzliche Qualifikationen und praktische Erfahrungen als Familientherapeut, Supervisor und Mediator erworben, um so besser auf Anforderungen in unserem Schulzentrum reagieren zu können. Eltern und Jugendliche haben die Möglichkeit, sich vor Ort vertraulich und kostenlos beraten zu lassen.

Anlass für Beratung und Hilfsangebote sind

  • unregelmäßiger Schulbesuch, Schulmüdigkeit, Verweigerung
  • Leistungskrisen und Selbstwertprobleme
  • Außenseiter-Erfahrungen in der Klasse bis hin zu Mobbing
  • Schwierigkeiten mit Freunden, Eltern oder Geschwistern
  • Ängste und beunruhigendes Verhalten bis hin zu Suiziddrohungen
  • Selbstschädigendes Verhalten (Selbstverletzung, Drogenkonsum)
  • Massive Konflikte mit andern und aggressives Verhalten

Angebote für Jugendliche, Eltern und Lehrer

Meine Angebote richten sich in erster Linie an Jugendliche und ihre Eltern

Da ich nach über 25 Jahren diese Schule, wichtige Personen und Abläufe gut kenne, kann ich auch LehrerInnen -vertraulich und kostenlos- Unterstützung anbieten ...

Zu einem wesentlichen Arbeitsschwerpunkt ist in den letzten Jahren „Beratung und Einzelfallhilfe“ geworden. Im Jahr habe ich so mit circa 13o Kindern und Jugendlichen unserer Schule intensiver zu tun ...

In diesen Gesprächen verstehe ich mich als Klärungshelfer und neutraler Coach: Bewusst verzichte ich darauf, Patentlösungen und Rezepte oder langfristig angelegte therapeutische Hilfe anzubieten. Häufig spielen wir ganz praktisch Verhaltensalternativen durch, suchen nach Ausnahmesituationen und Stärken, die hilfreich sein könnten. Wesentlich ist immer wieder, Jugendliche so zu stärken, dass sie Verantwortung für ihre Situation selbst übernehmen und gemeinsam eine für sie stimmige Lösung suchen können.

Als hilfreich erwiesen hat sich u.a. das schriftliche Festhalten von Vorhaben („Vertragsarbeit“), deren Umsetzung in einem gewissen Abstand gemeinsam überprüft wird. Wenn Ratsuchende zustimmen, vereinbaren wir ggf. gemeinsame Gespräche mit Lehrern, Mitschülern oder anderen Unterstützern. Im Einzelfall ebne ich auch den Zugang zu wichtigen sozialen Einrichtungen oder den KollegInnen im Jugendamt.

Neben dieser Rolle als Ansprechpartner bei akuten Problemen oder in persönlichen Krisen, werden Konfliktregelung und Mediation bei Schulkonflikten (vorrangig in den Klassen 5 bis 9) regelmäßig nachgefragt.

In den vergangenen Jahren wurde ich in über 2oo Fällen (bei denen es um massive Beleidigungen, schwerwiegende körperliche Auseinandersetzungen, Sachbeschädigung und Eigentumsdelikte ging) als Schlichter tätig. In aller Regel werden sie mit einem Ergebnisprotokoll abgeschlossen.

In manchen Fällen verzichten wir aber bewusst auf ein förmliches Schlichtungsverfahren. Und manchmal erweist es sich als günstiger, betroffene Jugendliche dabei zu unterstützen, andere Strategien und damit Selbstbewusstsein zu entwickeln, um sich dann selbst in angemessener Weise abzugrenzen und eingefahrene Konfliktmuster zu unterbrechen ...

Da ich unser Schule und ihr Umfeld ganz gut kenne, sehe ich in meiner Mitarbeit im „Lebensfeld Schule“ eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Zusammenhalt in unserem Schulzentrums zu steigern - Zu nennen sind hier u.a.

  • Ganztagsangebote (nicht nur) im Jugendforum und die Kooperation mit den KollegInnen im Jugendhaus
  • das Mentoren-Projekt, in dem SchülerInnen Projekte für unsere 5.Klässler anbieten und durchführen
  • meine Mitarbeit im Trainingsraum-Team und bei Evaluation und Weiterentwicklung des Konzepts
  • die Unterstützung der Arbeit der SMV - bei Treffen und Tagungen, im Schüler-Cafe oder bei Schulfesten
  • das Organisieren und Durchführen von Bau-Aktionen im Bauernhaus der Schule
  • Unterstützung für die Arbeit der Mensatreff -Initiative (Schülerhelfer, Kasse, Werbung ...)
  • die aktive Teilnahme im AK Kinder und Jugendliche, in dem sich alle Stadtteil-Institutionen treffen
  • die Anleitung den gezielten Einsatz von Sozialpädagogik-PraktikantInnen
  • Begleitung und individuelle Hilfen beim Übergang Schule-Beruf für HauptschülerInnen

Rainer Borst

SchulSozialPädagoge, Familientherapeut und Streitschlichter