Schulsozialarbeit: Ein Überblick

In 87 dokumentierten Fällen wurde die Schulsozialarbeit im vergangenen Schuljahr 2001/2002 als Berater oder Therapeut aktiv: Das sind deutlich mehr als im letzten Schuljahr. Ein Jahr zuvor waren es lediglich 64 Fälle - die Zunahme um ein Drittel hat mehr Zeit und Energie beansprucht hat als im Jahr davor. Einen Überblick über die Schulsozialarbeit an der GSS gibt ihnen der folgende Artikel.

Einführung und Vorgeschichte

Im September 1981 habe ich in Tübingen als erster Sozialpädagoge an einer Tübinger Schule angefangen. Als frischgebackener Diplompädagoge sammelte ich mit sozialpädagogischen Freizeitaktivitäten (Kajakbau, Volleyball-AG, Zeltfreizeiten), Angeboten für Klassen im Unterricht (Spielstunden oder Projekte zum Sozialen Lernen) oder der Einrichtung unseres Schülercafés und Bauaktionen in Zimmern erste gute Erfahrungen. Im Lauf der Jahre kamen der Schultreff und Angebote zum berufsvorbereitenden Unterricht in der Hauptschule hinzu. Mittlerweile hat es - was meine Arbeitsschwerpunkte angeht- erhebliche Veränderungen gegeben: Freizeitangebote, mit denen ich mich damals in der Schule bekannt gemacht habe, sind in den Hintergrund getreten, dafür haben Beratung und Einzelfallhilfe deutlich mehr Bedeutung bekommen.

Nach Abschluss einer fünfjährigen Ausbildung zum Familientherapeuten stehe ich mit meinen Erfahrungen allen in der Schule als Berater und Klärungshelfer zur Verfügung. "Tür- und Angel-Kontakte", bei denen ich mich bemühe, auf aktuelle Schwierigkeiten in der Schule frühzeitig einzugehen, um später intensivere Hilfe oder gar Ausschulung überflüssig zu machen, sind ein Teil dieser (präventiven) Arbeit: Hierher gehören kurze Fachgespräche mit einem Kollegen im Lehrerclub, der seine Beobachtungen in einer Klasse mit mir reflektieren kann. Oder die Klage einer Jugendlichen in der Mittagspause, die mit mir bespricht, wie sie mit einem Mitschüler anders umgehen könnte. Und nicht zuletzt ein Telefonat mit einer besorgten Mutter, die daraufhin entscheidet, eine bestimmte Beratungsstelle aufzusuchen.

Das Beratungsangebot

Während diese informellen Kontakte statistisch nicht zu erfassen sind, gibt es jedes Jahr ein ganze Reihe intensiverer Beratungsfälle, die dann in einem verbindlichen Rahmen ablaufen.

In 87 dokumentierten Fällen bin ich im vergangenen Schuljahr 2001/2002 als Berater oder Therapeut aktiv geworden: Das sind deutlich mehr als im letzten Schuljahr (die prozentuale Steigerung im Verhältnis zur Gesamtschüler­schaft von 4,66% auf 6,28% belegt dies). Vor einem Jahr waren es lediglich 64 Fälle - die Zunahme um ein Drittel hat zwangläufig mehr Zeit und Energie beansprucht hat als im Jahr davor.

Im Lauf dieses Schuljahrs hatte ich mit annähernd 22%, mehr als jedem fünften Hauptschüler - wenn auch unterschiedlich intensiv - zu tun! Diese deutliche Zunahme um fast 5% könnte damit zusammenhängen, dass im letzten Schuljahr durch meine Praktikantin (die ihren Arbeitsschwerpunkt in der 9. HauptschulKlasse gehabt hatte) ein entsprechender Anteil der HauptschülerInnen "versorgt" werden konnte.

Im Gymnasium (das ja knapp achtmal mehr SchülerInnen als die Hauptschule hat) war es lediglich jeder 31. Jugendliche (im letzten Jahr war es dagegen nur jeder 40.). Dennoch sind diese 27 Gymnasiasten sogar zwei mehr als die 25 HauptschülerInnen. Die größte Gruppe kam mit 35 Jugendlichen erneut aus der Realschule - hier hatte ich mit jedem 12. Jugendlichen intensiver zu tun.

Anlass für Beratung und Hilfsangebote waren:

  • Unregelmäßiger Schulbesuch, Schulmüdigkeit, Verweigerung, Leistungskrisen
  • Außenseiter-Erfahrungen in der Klasse bis hin zu Mobbing
  • Gravierende Auseinandersetzungen oder Provokationen und aggressives Verhalten gegenüber LehrerInnen.
  • Ängste und beunruhigendes Verhalten bis hin zu Suiziddrohungen
  • Selbstschädigendes Verhalten (Eßstörungen, Selbstverletzung, Drogenkonsum)
  • Schwierigkeiten mit Freunden oder den Eltern

Selbstverständnis

In diesen Gesprächen verstehe ich mich als Klärungshelfer und neutraler Coach: Bewusst verzichte ich darauf, Patentlösungen und Rezepte oder langfristig angelegte therapeuti-sche Hilfe anzubieten. Häufig spielen wir ganz praktisch Verhaltensalternativen durch, suchen nach Ausnahmesituationen und Stärken, die hilfreich sein könnten. Wesentlich ist Jugendliche zu ermutigen, Verantwortung für ihre Situation zu übernehmen und gemeinsam eine für sie stimmige Lösung zu finden.

Hilfreich ist u.a. das schriftliche Festhalten von Vorhaben ("Vertragsarbeit"), deren Umsetzung in einem gewissen Abstand gemeinsam überprüft wird. Mit Erlaubnis der Ratsuchenden vereinbaren wir aber auch gemeinsame Gespräche mit Lehrern, Mitschülern oder anderen Unterstützern, ich stelle den Kontakt zu wichtigen sozialen Einrichtungen oder den KollegInnen im Jugendamt her.

Neben dieser Rolle als Ansprechpartner in persönlichen Krisen oder bei akuten Problemen, hat sich als weitere Facette die Tätigkeit als Schulmediator etabliert. In mehr als 20 Fällen (bei denen es um massive Beleidigungen, schwerwiegende körperliche Auseinandersetzungen, Sachbeschädigung und Eigentumsdelikte ging) wurde ich als Schlichter eingeschaltet. 17 wurden mit einem Ergebnis-protokoll abgeschlossen und dokumentiert. In diesen wurden die getroffenen Vereinbarungen von den Beteiligten absprachegemäß umgesetzt und die Konflikte somit geschlichtet. In 6 Fällen konnte ein förmliches Schlichtungsverfahren durch erfolgreiche Vorgespräche vermieden werden. In einem Fall wurde das Protokoll von einer Seite nicht akzeptiert und das Verfahren danach abgebrochen, in einem weiteren Fall verließ ein Schüler die Schule, bevor das Schlichtungsverfahren beendet werden konnte.

Weitere Aufgaben und Projekte

  • Der ",Schultreff", - ein offenes Freizeitangebot für die Orientierungsstufe, mit der Möglichkeit, Hausaufgaben zu machen, findet einmal in der Woche statt.
  • Begleitung der 8.Klässler der Hauptschule im Berufswahlprozess mit dazu gehörigem Aus-wertungs-Workshop fürs Berufspraktikum an zwei Schultagen in den Räumen der Schule und im Jugendhaus. Beratung Einzelner, die in der Abschlussklasse Unterstützung brauchen.
  • Jährlich 5 bis 6 Bauaktionen im Bauernhaus der Schule in Zimmern - zusammen mit engagierten Baulehrern und unterstützt durch einen Architekten. Diese Baugruppen stehen interessierten SchülerInnen aus allen drei Schularten offen.
  • In meiner Foto- und Video-AG lernen Hauptschüler zunächst, mit dem Fotoapparat Portraits zu knipsen und anschließend weiter zu verarbeiten. Die dabei erworbenen Fähigkeiten nutzen sie, um die Lehrergalerie der Schule zu aktualisieren.
  • Aktionen der SMV mit regelmäßigen Tagungen in Zimmern. Bei einer Tagung wurde beispielsweie das Planspiel "Schule als Staat" eingebracht und gemeinsam konkretisiert.
  • Auch die Anleitung unserer Schülermentorinnen, die sich in ihrer Freizeit um die 5. und 6. Klassen kümmern, gehört zu meinen Aufgaben. Neben der Begleitung und dem Entwickeln neuer Ideen geht es darum, jedes Jahr neue InteressentInnen zu werben.
  • Die Organisation von SchülerhelferInnen für den Mensatreff braucht nur noch wenig Zeit und gelingt über die KlassenlehrerInnen ohne größere Schwierigkeiten.
  • Zur Routine gehören auch schon die Verwaltung und Vermietung des Bauernhauses. Es gibt einen Videofilm über diverse Bauaktionen und ein neues Elterninfo.

Eine kleine Bilanz

Abschließend hier vielleicht soviel: Die Schulsozialarbeit an der Geschwister-Scholl-Schule hat - wie ich meine - einen guten und soliden Platz im Schulzentrum gefunden. Von daher liegt es nahe, die vielen Vorteile, die lange gewachsene Kontakte und erprobte Angebote bieten, intensiv zu nutzen und wo nötig, weiter zu entwickeln. Dies ist nicht nur für mich persönlich, sondern auch für die Besucher und Mitarbeiter der Schule bereichernd!

Gerade beim weiteren Ausbau des Schwerpunkts Beratung sind fundierte fachliche und persönliche Kontakte nicht zuletzt zu Kolleginnen und Kollegen ein wertvolles Kapital, das ich ohne Not nicht aufgeben will. Dazu kommt, dass der neue Schwerpunkt Konfliktschlichtung genügend Potential bietet, meine Arbeit als Schulsozialpädagoge nicht nur als (unverzichtbare?) Ergänzung und hilfreiche Entlastung sondern darüber hinaus als produktive Herausforderung für die Institution sichtbar zu machen.