Interview mit OB Frau Russ-Scherer

Am 10.11.2005 besuchte die Oberbürgermeisterin Frau Russ-Scherer im Rahmen des Gemeinschaftskundeunterrichts die Klasse 9e.

1.Tagesablauf

EIN GANZ NORMALER MONTAG:

  1. 8:00 Uhr: Gespräch mit dem Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen
  1. 9:00 Uhr: Montagsbesprechung mit den anderen Bürgermeistern
  1. 10:00-12:00 Uhr: Besprechung mit den Amtsleitern der Verwaltung, z.B. über die Renovierung der GSS
  1. Mittagspause: Post lesen
  1. 15:00-16:00 Uhr: Mitarbeitergespräch(e)
  1. 16:15-22:30 Uhr: Gemeinderatssitzung
  1. 22:30-23:30 Uhr: Inoffizielle Nachsitzung
  1. 00:00/01:00 Uhr: Daheim

Normalerweise bekommt die OB für jeden Tag einen elektronischen Terminplan. Bei Terminüberschneidungen wird sie auch von den anderen Bürgermeistern vertreten.

2. Freizeit

  • Im Schnitt hat Frau Russ-Scherer alle vier Wochen einen Tag am Wochenende frei.
  • Ansonsten stehen oft wichtige Repräsentationstermine am Wochenende an.
  • Bei ihrem privaten Freundeskreis achtet Frau Russ-Scherer darauf, dass dieser unabhängig von ihrer beruflichen Arbeit besteht, sie will keine „Zweckfreundschaften“ schließen.
  • Sie ist glücklich verheiratet und bespricht sich auch gerne mit ihrem Mann über ihre Arbeit.
  • Frau Russ-Scherer mag die kulturelle Vielfalt Tübingens.
  • Ihre Hobbys: Lesen (gerne auch nichtpolitische Bücher), Schwimmen, Konzert- oder Theaterbesuche, Oper, Moderne Kunst bzw. Kultur, was sie auch an Tübingen besonders schätzt.

3. Werdegang/Lebenslauf von Frau Russ-Scherer

  • In Göppingen geboren und in Kirchheim/Teck zur Schule gegangen
  • Sie wollte eigentlich in der 10. Klasse die Schule abbrechen und Sportlehrerin werden, was aber wegen einer Knieverletzung leider nicht möglich war.
  • Ansonsten aber hat sie fast nur positive Erinnerungen an ihre Schulzeit
  • Mit 16 Jahren ist sie Mitglied der Jungsozialisten geworden, mit 18 Jahren ist sie in die SPD eingetreten.
  • Es folgte eine Ausbildung als Journalistin, und ein Jurasstudium in Tübingen
  • Sie war auch Richterin, und ist immer noch als Rechtsanwältin zugelassen
  • Vor ihrem Job als OB war sie leitende Angestellte der Allianz Leben Stuttgart
  • Zu der OB-Kandidatur kam sie eher zufällig auf Anfrage von anderen
  • Ihr Gehalt richtet sich nach Größe der Stadt.

4. Kritische Situationen

  • Eilentscheidungen muss sie selten treffen.
  • Ihre letzte wichtige Eilentscheidung betraf das Zimmertheater, das damals in finanziellen Schwierigkeiten war: Der Gemeinderat konnte wegen der Ferien nicht zusammentreten (Bürgschaft).
  • Grundsätzlich findet Frau Russ-Scherer, dass „ohne konstruktive Kritik keine gute Politik möglich ist.“
  • Auf das Thema „Korruption“ angesprochen, sagt sie, dass bei ihr noch nie ein solcher Versuch unternommen wurde. Sie geht aber kurz auf einen Fall aus der Tübinger Vergangenheit ein.
  • Auf höheren politischen Ebenen gebe es sehr viel unqualifizierte Kritik.
  • Grundsätzlich brauche man in politischen Ämtern ein dickes Fell.
  • Zur Bauruine Blaue Brücke sagt sie:
  • Dieses von einer Privatperson begonnene Projekt „gehöre“ mittlerweile einer Bank, die jedoch nach Italien verkauft wurde, so dass es momentan schwierig sei, die Zuständigkeiten genau zu klären.
  • Bei der Versteigerung des Projekts sei der Preis zu hoch gewesen, die Stadt könne es nicht kaufen.
  • Ideen für die Nutzung des Projekts habe sie viele, aber die Finanzierung sei das Hauptproblem.

5. Persönliche Grundeinstellung

  • Frau Russ-Scherer sieht nicht alle ihre Termine als berufliche Verpflichtung, zu vielen Terminen würde sie auch gerne privat gehen.
  • Es gab eine Diskussion über die Unterscheidung zwischen Pflichtaufgaben einer Gemeinde und freiwilligen Aufgaben: für sie ist z. B. ein Museum oder ein Theater inhaltlich eine Pflichtaufgabe, auch wenn es sich dabei formal um freiwillige Aufgaben handle.
  • Als OB darf man nicht immer mit dem Kopf durch die Wand, sondern muss nach Kompromissen suchen und Mehrheiten gewinnen.
  • Als Gründe für ihren Eintritt in die SPD nennt Frau Russ-Scherer:
  • Die Mitgliedschaft sei Ausdruck ihrer politischen Grundeinstellung
  • Sie will für gerechte Lebensverhältnisse kämpfen
  • Sie sei grundsätzlich pazifistisch eingestellt
  • In einer Partei könne man um Mehrheiten kämpfen und Lebensbedingungen verändern
  • Gerade in den 70er Jahren stand die SPD für eine grundlegende Erneuerung der Gesellschaft
  • Sie war/ist aber nicht mit allem einverstanden, der NATO-Doppelbeschluss z.B. brachte sie einst fast zum Austritt aus der SPD

Der Besuch der Oberbürgermeisterin der Stadt Tübingen mit der Gelegenheit, sie über eine Stunde lang befragen zu können, war für unsere Klasse schon etwas Besonderes. Als Schülerin und Schüler wird man nur selten die Gelegenheit haben, eine Expertin aus der Gemeinde so hautnah und persönlich erleben zu können. Auch von dieser Stelle aus noch einmal ein herzliches Danke.

Von Ina, Judith und Valentin.