30 Jahre GSS

Nach dreißig Jahren ist die Geschwister-Scholl-Schule Tübingen, die sich von Anfang an als Reformschule verstanden hat, nicht mehr im Aufbruch, sondern auf Kurs. Sie hat auf ihrem pädagogischen Weg reichlich Erfahrung sammeln, vergleichen und Qualitätsstandards entwickeln können. Sie hat sich im Vergleich bewähren müssen und dies auch selbstverständlich wollen, um den besonderen Ansprüchen ihrer "Gründungsväter" gerecht werden zu können.

Einführung

Als Verbundschule für drei Schularten unter einem Dach hat sie ein aufwändiges, aber auch umfassendes Konzept. Sie versteht sich als Schule, die auf das Leben vorbereiten möchte, und bietet ihren Schüler/innen von der Hauptschule bis zum achtjährigen gymnasialen Sprachzug einen ungewöhnlich breiten Erfahrungs- und Er-Lebensraum. Sie ist eine partnerorientierte, kooperierende Schule und ein integrierender, pädagogisch-kultureller Faktor der Nordstadt.

Sie versteht sich darüber hinaus als weltoffene Schule. Es ist kein Zufall, dass sie nicht nur mit Frankreich, England und den USA Schüleraustausch pflegt, sondern auch in Wroclaw und Petrosawodsk Partner und Freunde hat.

Die Geschwister Scholl - ein Name verpflichtet

Das Vorbild der Geschwister Hans und Sophie Scholl hat Leitfunktion für unsere Schule. Wir versuchen dieser Verpflichtung in Projekten gerecht zu werden, die ein lebendiges Bewusstsein für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit fördern. Ein Ausdruck dafür mag der "Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus" sein. Wir gestalten ihn jedes Jahr aus einer anderen Fachperspektive und unter aktiver Beteiligung der SMV. Es gilt, an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern, Hintergründe und Ereignisse dieser Zeit nicht zu vergessen und in ihrer historischen Bedeutung verständlich zu machen.

Die Geschwister-Scholl-Schule Tübingen ist anerkannte UNESCO-Projektschule. UNESCO-Schule zu sein bedeutet, sich global, sozial, historisch und partnerschaftlich zu orientieren. Projekte der letzten Jahre ("Islam: Politik für Gott?", "Leben in einer Welt", "Wir engagieren uns für andere") sind Ausdruck dieser Einstellung. Das Kollegium unterstützt seit vielen Jahren eine Kaffeegenossenschaft in Nicaragua mit fairem Kaffee-Einkauf. Mehrere Schülern/innen haben auf den dortigen Plantagen mit einem Lehrer während der Sommerferien gearbeitet. Unsere Kollegen/innen spenden seit rund 15 Jahren regelmäßig Gelder für Lehrerfortbildungsmaßnahmen in Nicaragua, an denen monatlich rund 100 Lehrer/innen aus ländlichen Grundschulen dieses Landes teilnehmen. Man besucht sich auch gegenseitig. Erst in diesem Jahr reiste eine Lehrergruppe der Schule während der Sommerferien zu unseren Projektpartnern in Südamerika und stellte einen UNESCO-Kontakt her.

Eltern und Schüler

"Um sich selbst zu erkennen, muss man handeln" (Camus). Unsere Eltern unterstützen uns seit Schulgründung vorbildlich, um ihr vielfältiges Engagement werden wir beneidet. Sie betreiben ehrenamtlich einen Mensabetrieb, den sie konzipiert und weitgehend selbst gebaut haben. Seit mehr als zwanzig Jahren kochen sie für uns. Der "Verein der Freunde e.V." ist der Träger des Mensatreffs. Er hat der Schule 1981 ein Bauernhaus in Zimmern geschenkt, das wir seither mit seiner finanziellen Hilfe Zug um Zug ausbauen. Unsere Schüler/innen nutzen dieses "Schullandheim" als Ideenschmiede für Projekte, von denen viele bemerkenswerte schulweit umgesetzt worden sind.

Das herausragende Projekt der vergangenen Jahre, "Schule als Staat", wurde an verschiedenen Schulen des Landes in kurzen Abständen durchgeführt, an keiner Schule aber haben es die Schüler/innen in eigener Verantwortung umsetzen dürfen, stets haben Lehrer/innen steuernd vorbereitet und begleitet. Wir haben viele großartige Projekte auf Schülerinitiative hin erlebt. "Schule als Staat" war zweifellos ein Höhepunkt. Einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen hat die SMV wiederum zur Unterstützung von Schülern in Nicaragua zur Verfügung gestellt und damit ihr traditionell soziales Engagement erneut unter Beweis gestellt.

Sport und Theater

Die Zusammenarbeit mit Partnern prägt auch die Aktivitäten im Sport- und Theaterbereich. Wir sind "Partnerschule des Sports" und gehören zu den wenigen Schulen Baden -Württembergs, die diese leistungsorientierte und regelmäßig auf dem Prüfstand stehende Auszeichnung des Kultusministeriums erhalten konnten. Wir kooperieren mit den Tübinger Vereinen und sind dem Olympiastützpunkt Stuttgart angeschlossen: Rund 60 Schüler/innen der Geschwister-Scholl-Schule (mehr als 4% der gesamten Schülerschaft!) gehören einem Landes- oder Bundeskader an, nicht wenige haben es zu deutschen Meisterschaften und sogar internationalen Erfolgen gebracht. Der hervorragend organisierte und vielfältig kooperierende Fachbereich Sport ist dabei Wegbereiter und Wegbegleiter.

Profil hat auch die Theaterarbeit gewonnen. Seit Jahren wird "großes Theater" gespielt (Shakespeare, Goethe, Dürrenmatt etc.) - bis zu fünf Produktionen in einem Schuljahr hatten wir schon. Hermann Hesses Roman "Unterm Rad" ist in Vorbereitung und wird gerade "bühnenreif" gemacht. Unsere Theaterensembles treten auch auswärts auf größeren Bühnen Württembergs auf und werden vom Lindenhoftheater in Melchingen professionell unterstützt. Einzelne Schüler spielen sogar in Melchinger Aufführungen mit, andere haben sich als Regisseure von Schulaufführungen einen Namen gemacht, einer unserer Schauspieler schreibt derzeit sogar ein eigenes Stück für das Jubiläumsjahr.

Kunst und Computer...

Wertvolle Beiträge zu einem guten Schulklima leisten vor allem auch die Fächer Bildende Kunst und Musik. Kunstausstellungen haben der Schule seit ihrer Gründung ein besonderes Flair vermittelt. Sie prägen die "Galerie" des Lehrerclubs, den man sich ohne "Ausstellung" nicht mehr vorstellen kann. Unsere Musiklehrer/innen verstehen es, Schüler/innen in großer Zahl für Aufführungen zu motivieren. Mit der Gründung eines Schüler-Lehrer-Eltern-Chors haben sie eine besonders schöne Form der Begegnung entwickelt. Kulturelle Höhepunkte stellen jeweils unsere Schulkonzerte und traditionellen "Musikabende" dar. Einen herausragenden Erfolg verzeichnete die Schule mit dem Sieg im äußerst hart umkämpften Internetwettbewerb "X-Pulsar", den das Wissenschaftsministerium zur Unterstützung eines astrophysikalischen Forschungsvorhabens landesweit für alle Schulen ausgeschrieben hatte. Es galt, mit möglichst hohem Beteiligungsgrad und Hilfe eines vorgegebenen Computerprogramms über mehrere Monate Modelle eines Röntgenstrahlen emittierenden Doppelsternsystems zu berechnen. Die beteiligten Schulen lieferten dabei wertvolle Daten für die Forschung. Für das beste Ergebnis erhielten wir ein hochwertiges Teleskop, das sich automatisch auf Sternbilder einstellen kann.

Nach 30 Jahren Schulgeschichte hoffen wir auf dem richtigen Weg und auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Kollegium, Eltern und Schüler haben ihr Selbstverständnis entwickelt und in der baden-württembergischen Schullandschaft Akzente gesetzt. Wir freuen uns, dass unser schulisches Engagement auch von der Schulverwaltung, nicht zuletzt von Kultusministerin Schavan, öffentliche Anerkennung gefunden hat.

Eine zeitgemäße Schule befindet sich immer im Umbruch, will sie den jeweiligen Anforderungen gerecht werden. Sie muss Antworten auf die gewandelte Erziehungssituation finden und die veränderten, stärker als früher von Medien geprägten Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen berücksichtigen. Berufsvorbereitung spielt in allen Schularten eine größere Rolle als je zuvor und stellt erhöhte Anforderungen. Arbeitsplätze sind rar und der Zugang zu einem angemessenen Beruf muss mehr denn je in Konkurrenz angestrebt werden. Schulisches Lernen und entsprechende Projekte sollen darauf vorbereiten. Plan- und Freiarbeit, methodische Vielfalt und Kompetenz, Formen des nachhaltigen Lernens, neue Prüfungs- und Präsentationsformen entwickeln sich folgerichtig in allen drei Schularten. Projektorientierte Gruppenprüfungen sind inzwischen Teil der Hauptschul- und Seminarkursabschlussprüfungen, bald auch der Abiturprüfung. Die Realschulabteilung wird sich an einem wissenschaftlich begleiteten Fortbildungsprojekt beteiligen, das die bereits angelaufenen Impulse zur inneren Schulentwicklung konstruktiv steuern kann und soll. Wir möchten ganzheitliche Erziehungsprozesse in die Tat umsetzen. Die Hauptschule erweitert derzeit ihren Unterricht in Klasse 5 durch Zusatzangebote in Sport und Technik. Das Gymnasium bietet zusätzliche Bildungsmöglichkeiten durch Profilangebote in Bildender Kunst und Sport sowie Spanisch als möglicher vierter Fremdsprache. Die Lehrerinnen und Lehrer unserer Schule decken vom Fach Technik bis zum Unterricht im achtjährigen gymnasialen Sprachzug eine enorme Bandbreite ab. Sie sind in einem großen Verbund aufeinander angewiesen, aber sie sammeln in diesem Verbund auch wertvolle Erfahrungen, die ihrer pädagogischen Arbeit zugute kommen.

Rückblick und Ausblick

Freilich gibt es keinen Erfolg zum Nulltarif. Erfreulich ist, dass der Gründergeist, die Motivation, etwas Besonderes zu entwickeln und besondere Ansprüche an sich selbst zu stellen, auch heute bei Lehrern/innen Eltern und Schülern spürbar lebendig geblieben ist. Viele unserer Kollegen/innen, die in den Aufbaujahren Verantwortung übernahmen und das Schiff auf Kurs bringen mussten, sind noch so aktiv wie früher. Sie haben den Geist der Schule geprägt und tradieren ihn motivierend. Nach dreißig Jahren hat sich der Personalbestand der Schule allerdings schon merklich verändert. Dr. Wolfgang Lang und Helmut Silber, gestaltende Kollegen der ersten Stunde, sind in den Jahren 2000 und 2001 gestorben, sie haben schmerzliche Lücken hinterlassen. Die Schule hat bereits ihren dritten Schulleiter. Wilhelm Goller, der langjährige Nachfolger von Franz Schlichte, hat 1996 in Talitha Kumi, Palästina, eine neue, anspruchsvolle Entwicklungsaufgabe übernommen. Er befindet sich inzwischen mitten im Krisenherd. Siegfried Bausch, stellv. Schulleiter und Folkmar Klein, stellv. Abteilungsleiter der Realschule, sind, wie einige andere Kollegen/innen auch, bereits im Ruhestand. Der Kreis der Ausscheidenden wird sich in den kommenden Jahren erweitern, das Kollegium sich zunehmend verjüngen. Ein Alterungsprozess ganz anderer Art schafft Tradition: Die Schüler/innen der ersten Generation schicken inzwischen ihre Kinder in unsere Schule und sind bereits als Elternvertreter/innen aktiv...

Wenn wir nach vorn blicken, wissen wir, dass wir das alte Schulhaus verlassen (müssen), nicht im Verdruss, denn es hat sich nicht bewährt, es muss "von Grund auf" erneuert werden - eine bittere Erfahrung auch für die Stadt, die dafür 23 Mio. DM bereitzustellen hat. Die Schulhausprobleme sind seit langem bekannt, aber trotz aller Aktivitäten von Elternschaft und Schulleitung, die in großer Sorge waren, nicht ernst genommen worden. Die Einsicht, dass gehandelt werden muss, verdanken wir der jetzigen Rathausspitze und dem derzeitigen Gemeinderat.

Beim Bau des Schulhauses Anfang der siebziger Jahre haben sich Theorie und Praxis nicht in Übereinstimmung bringen lassen. Es war nie das ursprünglich intendierte, raumvariable Gebäude, es wies unerträgliche Nachteile auf. Wir freuen uns auf eine Schule mit ausreichender natürlicher Belichtung und Belüftung, auf schalldichte, normal geschnittene Klassenzimmer, kurz auf eine zweckmäßig und dauerhaft solide gebaute Schule. Keine Frage: Die Sanierung wird Belastungen mit sich bringen. Wir haben diese Sanierung jedoch seit Jahren herbeigesehnt und wollen die damit verbundenen Herausforderungen konstruktiv angehen. Vom neuen Gebäude aus werden wir eine Brücke zum sich entwickelnden "Wissens- und Technologiepark" auf der gegenüberliegenden Straßenseite schlagen und weitere Partnerschaften knüpfen: "Learning by doing".